Endlich ist es geschafft. Der Jahresurlaub auf dem Deich an Nord- und später an der Ostsee ist angetreten. Nach ein paar Tagen, an denen man Freunde und Bekannte trifft, sich der guten Luft erfreut, mit Frau und Hund Spaziergänge und die Zweisamkeit genießt, Bücher liest, gut isst und sich an dem mitgebrachten Wein erfreut, kommt die Stille und die Ruhe, um nachzudenken.
Nachzudenken über Deutschland
Da stellt sich nach kurzer Zeit schon die Kardinalfrage, wo wir da eigentlich in Deutschland gelandet sind und gleich danach die noch bangere Frage, ob und wie wir da jemals wieder rauskommen. Immer wieder kommen da Gedanken auf, die sagen, dass die meisten von denen, die uns unabhängig von ihrer politischen Farbe regieren wollen, weder das Format noch die Fähigkeit besitzen, innovativ und vorausschauend Weichen zu stellen, Defizite aufzudecken und nachhaltige Entwicklungen anzustoßen. Das hängt sicher fundamental schon damit zusammen, dass Positionen im politischen Geschäft nicht nach Eignung, sondern nach Quoten vergeben werden. Über berufliche Qualifikationen sieht man dabei geflissentlich hinweg und wenn einer statt einem Berufsabschluss 25 Rhetorikkurse belegt hat, ist das auch gut, weil offenbar die Selbstdarstellung wichtiger ist, als gute Arbeit. Manchen gelingt aber selbst die Selbstdarstellung nicht, wenn ich mir da den ein oder anderen Clip tüchtiger Ministerinnen in mein Gedächtnis rufe. Andere geben sich lieber der eigenen Lächerlichkeit preis, als einen Fehler (die passieren uns allen) einzugestehen. Angesichts des unermesslichen menschlichen Leids der Menschen an Ahr und Erft war es allerdings auch ein politisches und vor allem menschliches Armutszeugnis eines Ministers, der angesichts im bis zum Giebel im Wasser stehenden Häuser und auf den Dächern sitzenden Menschen nicht erkennen konnte (wollte), dass es sich hier um eine Katastrophe handelte. Für ihn sind eigentlich auch noch die Diäten als kleiner Landtagsabgeordneter zu viel. Auch das ist ein Teil des Dilemmas; es gibt keine Selbstreinigungskräfte mehr, die denen den Weg zeigen, die jegliche Sensibilität dafür, was sich gehört, verloren haben.
Und so scheint es mit Deutschland insgesamt so wie mit den „Pumas“. 18 gehen an den Start, keiner kommt an und jeder hat alles richtig gemacht und Letzteres ist das eigentliche Problem.
Nachzudenken über Landwirtschaft
Hier haben wir schon vor längerer Zeit das Gehirn abgeschaltet und ergeben uns der Illusion einer Landwirtschaft vor 150 Jahren hin, 1 Bauer, eine Kuh, ein Schwein, ein Huhn und eine Gans. Bedingt durch das permanente Schlechtreden der unter dem Deckmantel des Naturschutzes agierenden berufsmäßigen Spendensammler ist es gelungen, den Bauern zu einer Person „non grata“ zu machen. In Kinderbücher wird schon gelehrt, dass der Biobauer der Gute und der konventionelle Bauer ein permanenter Umweltsünder und Tierquäler ist.
Vergessen scheint, dass sich Landwirtschaft wie die industrielle Produktion im Laufe der Zeit wie andere entwickelt hat. Hinzu kommt, ähnlich wie im Fußball, dass jeder Konsument ein Spezialist in der Nahrungsmittelproduktion ist und alle nur Bio wollen, auch wenn sie nach Angeboten in den Discountern kaufen, weil das Eingesparte für den Urlaub gebraucht wird. Und Fliegen nach Mallorca belastet das Klima nicht so arg, wie der Methanausstoß von Bauer Müllers 10 Kühen. Artenvielfalt wird durch die Landwirtschaft dezimiert und keineswegs durch die 70 ha (700 000 qm), die wir jeden Tag in unserem schönen Land zubetonieren. Nun holen wir aber zum großen Wurf aus; 50 % weniger Pflanzenschutz (Mittel, Wirkstoffe sind egal) ist das Zauberwort, das obige überaus fähige Berufspolitiker/innen mit und ohne Sach- und Fachkenntnis propagieren. Pflanzenschutzmittel sind letztendlich nichts anderes als Arzneimittel in der Humanmedizin. Was würden wir dort mit Menschen machen, die eine Halbierung des Arzneimitteleinsatzes unabhängig von den Mitteln fordern. 50 % weniger „Grippepestizide“, 50 % weniger Krebsmittel; egal, Hauptsache 50 % weniger. In Vogelschutzgebieten gibt es gar nichts mehr, weil auch die Abwässer der Menschheit inzwischen belastet sind (Hormonrückstände der Pille, Diclophenacrückstände etc.).
Wenn es uns in Sachen Landwirtschaft nicht bald gelingt, das Hirn wieder zu reaktivieren und vielleicht auch einen Fachminister zu erhalten, der nicht an der evangelischen Hochschule für Sozialwesen, sondern an einer Agrarhochschule studiert hat oder auch eine nichtakademische Agrarfachausbildung hat und bestenfalls vielleicht auch mal in einem solchen Beruf gearbeitet hat, werden wir auch bei unserer Ernährung das Heft des Handelns aus der Hand geben und in Abhängigkeiten landen, die wir gerade schmerzlich im Energiebereich aushalten und auch bezahlen müssen.
Ich möchte hier durchaus nicht den Eindruck erwecken, dass ich der Ansicht bin, Landwirtschaft hat alles richtig gemacht oder macht alles richtig. Das gibt es leider nicht, in anderen Bereichen auch nicht. Ich bin durchaus auch nicht der Meinung, dass 5000 ha – Betriebe und riesige Ställe die Zukunft sind. Aber zwischen industrieller Landwirtschaft und chemiefreier Landwirtschaft gibt es auch noch was. Das heißt integrierte Landwirtschaft: „so viel Chemie wie nötig und so wenig wie möglich“. So halten es gesundheitsbewusste Menschen im Humanbereich auch, Arznei nur wenn es nötig ist.
Menschen mit etwas Lebenserfahrung wissen, dass die Mitte oftmals der goldene Weg ist. Alle, die das nicht akzeptieren wollen oder können und auf einer chemiefreien Landwirtschaft beharren, sollten sich schon mal überlegen, wie sie den Menschen, die von einer produktiven Lebensmittelerzeugung in der Welt abhängig sind, erklären, dass es bald nicht mehr genug zu essen geben wird. Diese Ehrlichkeit sollte zu obigen Gedanken dazu gehören.
In diesem Sinn
Frohes Neues!